«Kommunikation geht auch nachhaltiger»

Ladina Ingold, Katharina Scheller Wirtschaft, Ressourcen, Energie
Wirtschaft, Ressourcen, Energie
  • Text: Pieter Poldervaart
  • Fotos: Roland Schmid

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New Graphic Standard

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Ladina Ingold und Kathrin Scheller

1/6 Ladina Ingold (l.) und Katharina Scheller wollen mehr Nachhaltigkeit in den Gestaltungsprozess von Drucksachen bringen.

«Kommunikation geht auch nachhaltiger»

Ladina Ingold, Katharina Scheller, «New Graphic Standard»

Wie stark Flyer, Broschüren und Bücher die Umwelt belasten, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Grafikerinnen Ladina Ingold und Katharina Scheller haben sich in das Thema vertieft und wissen, wie Drucksachen nachhaltiger werden können.

Ladina Ingold, Katharina Scheller
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Knallige Farben und fette Schriften: So kommt Werbung an. Doch ist das die einzige Möglichkeit, mit Gedrucktem Aufmerksamkeit zu erregen? Die beiden Grafikerinnen Ladina Ingold und Katharina Scheller sind da anderer Meinung: «Wer clever gestaltet, kann auch mit weniger Materialeinsatz hervorragend informieren», ist Ingold überzeugt.

«Punkto Nachhaltigkeit hinkt die Grafik anderen Gestaltungsdisziplinen hinterher.»

Ladina Ingold

Ladina und Katharine bi der Entwicklung von neuen Designs.

Mit viel Kreativität kann Kommunikation mit weniger Rohstoffen und Energie auskommen, sind Ladina Ingold (l.) und Katharina Scheller überzeugt.

Zur Überzeugung gelangt, umweltverträgliches Papier und mineralölfreie Druckfarben auszuwählen, Material sparsam zu verwenden und damit das Klima zu schonen, sind die beiden Studienkolleginnen während ihrer Ausbildung. Damals, an der Fachhochschule Nordwestschweiz, probierte man natürlich möglichst viel aus. Papier und andere Rohstoffe zur Gestaltung von Drucksachen standen dafür in fast unbegrenzter Vielfalt und Menge zur Verfügung – die Entwürfe landeten anschliessend im Abfall. Im Zentrum stand, was im Trend liegt und in der Branche gut ankommt. «Doch als wir realisierten, wie dramatisch es in Sachen Umwelt und Klima steht, fragten wir uns, ob wir nicht auch bei unserem Beruf ansetzen müssten», erinnert sich Ingold. Andere Designdisziplinen seien da schon viel weiter. «In der Modebranche ist Nachhaltigkeit bei vielen Labels inzwischen ein Muss.» Ähnlich sei es beim Produktdesign, das den Materialverbrauch minimieren und die Lebenserwartung verlängern wolle. Auch in der Architektur wird Nachhaltigkeit rege diskutiert. Bloss Graphic Design, also die grafische Gestaltung, habe das Thema erstaunlicherweise erst vor Kurzem entdeckt.

«Der überlegte Einsatz von Farbe schont die Umwelt.»

Katharina Scheller

Produkt-Entwürfe von New Graphic Standard

Anders als Mode, Produktdesign und Architektur ist in der Grafik das Thema Nachhaltigkeit noch kaum ein Thema. Das will das Projekt New Graphic Standard ändern.

Zur Kommunikation gehören ganz zuvorderst auch die Produkte, für die geworben wird. «Unsere Disziplin hat stark mit Werbung zu tun, auch mit Lifestyle, den wir propagieren – und damit leider auch häufig die Verschwendung», räumt Katharina Scheller selbstkritisch ein. Als Grafikerin sei man aber verantwortlich dafür, für welche Lebensentwürfe man sich einspannen lasse. Zudem könne man als Gestalterin viel bewirken, so Scheller: «In unserem Beruf begleiten wir eine Drucksache während ihres ganzen Lebenszyklus. Das beginnt beim Vorschlag für ein Format, bei der Wahl des Papiers und der Gestaltung und geht bis zur Koordination des Drucks.» Oft werde eine Publikation wirkungsvoller, wenn man bloss zwei Farben verwende, statt standardmässig auf Vierfarbendruck zu setzen – weniger Farben schonten auch die Umwelt. Mit etwas Kreativität sei es in einigen Fällen zudem möglich, einem Produkt eine zweite Funktion zu verleihen, sodass etwa ein Buchumschlag gleichzeitig als Lesezeichen verwendet werden kann.

Belgische Zeitschrift "La Perruque" auf Randabschnitten. Sie ist nur einen Zentimeter breit, dafür 90 Zentimeter lang.

Belgische Zeitschrift «La Perruque» macht‘s vor: Sie wird auf Randabschnitten gedruckt und ist darum nur einen Zentimeter breit, dafür 90 Zentimeter lang.

Die beiden Grafikerinnen, die ihr Nachhaltigkeitsprojekt New Graphic Standard nennen, unterstützen denn auch die Verwendung von Recyclingpapier, das deutlich bessere Umweltwerte aufweist als solches aus neuen Fasern. Wenn man der Kundschaft zeigen könne, dass Recyclingpapier ebenbürtig sei, werde es meist akzeptiert. «Je nach Drucksache gibt dann aber der Preis den Ausschlag und man nimmt dann doch das umweltbelastendere, dafür meist billigere Neufaserpapier.» Viel Material sparen lässt sich auch durch eine optimale Ausnutzung des Papierbogens, indem er möglichst komplett verwendet wird. Wie sich aus der Not eine Tugend machen lässt, führt Scheller anhand von «La Perruque» vor, einer belgischen Zeitschrift für Schriften: Sie verwendet konsequent nur den Randabschnitt von Drucksachen, der normalerweise im Altpapier landet. Somit haben die Schriftrollen ein aussergewöhnliches Format: Sie sind lediglich einen Zentimeter hoch und 90 Zentimeter lang.

«Eine bessere Planung vermeidet Altpapier.»

Ladina Ingold

Zur Beratung gehört auch, kritisch zu hinterfragen, ob für den angestrebten Zweck ein gedrucktes oder ein digitales Produkt sinnvoll ist – oder eine Kombination beidem. Besonders viel Energie und Papier vermeiden lässt sich nach Ingolds Erfahrung, wenn die Auflage kritisch hinterfragt wird: «Häufig landen ganze Schachteln an Prospekten ungenutzt im Altpapier, das könnte durch eine sorgfältige Planung meist vermieden werden.» Nach vier Jahren in einer Anstellung hat sich Ladina Ingold selbstständig gemacht. In ihrem Atelier beim Brausebad, das sie mit zwei Malerinnen und einem Jazzmusiker teilt, kann sie für eine Kundschaft arbeiten, die offen für nachhaltige Gestaltung ist. Gemeinsam mit Scheller gibt sie auch Workshops zu Gestaltung und Nachhaltigkeit wie jenen 2022 am Branchentreff Typo St.Gallen. Katharina Scheller wiederum hat an der Universität Bern eine Stelle als Doktorandin im Bereich Digitale Geisteswissenschaften angetreten. In ihrer Arbeit erforscht sie, wie visuelle Kommunikation komplexe ökologische Zusammenhänge umfassend und dennoch verständlich vermitteln kann. Daneben treiben sie das gemeinsame Projekt voran, an dem sie seit mehreren Jahren arbeiten: Eine Publikation, die mit Checklisten und Illustrationsmustern zeigt, wie Gedrucktes nicht nur wirksam informieren kann, sondern schon bei der Produktion möglichst wenig Rohstoffe verbraucht und das Klima schont.

 

Publiziert im April 2024

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