Das Littern ansprechen - ohne Worte

Olivia Ronzani und Vinzent Gisi Ressourcen
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  • Interview: Pieter Poldervaart
  • Fotos: Pieter Poldervaart, Olivia Ronzani

Kurzprofil

Theaterprojekt Litter Lemons
Franziska von Blarer
Bäumleingasse 2
4051 Basel

www.kulturundcoaching.ch

Olivia Ronzani und Vinzent Gisi

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Das Littern ansprechen - ohne Worte

Olivia Ronzani und Vinzent Gisi, «Litter Lemons»

Den Sommer geniesst man vorwiegend draussen – zurück bleibt häufig viel Abfall. Das Theaterprojekt «Litter Lemons» zweier junger Basler Theaterschaffenden steuert dagegen. Im Zentrum stehen vier Sozialhilfeempfänger als Laiendarsteller.

Olivia Ronzani und Vinzent Gisi
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  • Fotos: Pieter Poldervaart, Olivia Ronzani

Kurzprofil

Theaterprojekt Litter Lemons
Franziska von Blarer
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Ein Theater stellt Littern und Konsum ins Zentrum

Da ist der «Lausbub»: Rucksack und Hosentaschen sind vollgestopft mit leeren Getränkedosen, Kaffeebechern und Sandwichverpackungen. Mal unauffällig beim Schuhbinden, mal demonstrativ vor aller Augen lässt er den Abfall an der Rheinpromenade liegen. Wenn der «Lausbub» so offen seinen Müll wegwirft, hat ihn auch schon mal eine Passantin auffordert, seinen Dreck gefälligst in den Kehrichteimer zu werfen. «Diese Figur kann durchaus provozieren», sagt Olivia Ronzani (25). Was sie am Jungen Theater Basel, im Jugend Circus Basilisk und an der Accademia Teatro Dimitri gelernt hatte, kann sie jetzt als künstlerische Co-Leiterin in Basel anwenden: Sie instruiert ein Quartett von Sozialhilfeempfängern, die als Laienschauspieler einen Sommer lang in der Basler Innenstadt auf das lästige Littering aufmerksam machen.

Was soll denn das? – auch solche Reaktionen sind das Ziel der Aktion.

Olivia Ronzani

Litter Lemons mit Masken

Neben der Figur des «Lausbubs» tritt der «Bürokrat» auf, der jeden weggeworfenen Gegenstand mit Strassenkreide markiert und seine Eigenschaften pingelig in einem Heft notiert. Der «Künstler» sammelt Liegengelassenes, fügt es gestenreich am Wegrand zu einem Kunstwerk zusammen und zeigt damit, dass man auch Abfall zu etwas Neuem zusammenfügen kann. Die vierte Figur schliesslich ist der «Alte Mönch», der den Abfall aufliest, Fehlbare mit Gesten zurechtweist und jene, die ihre PET-Flasche korrekt entsorgen, lobt.

Zwar haben die vier Freiwilligen mehrere Wochen geprobt, ihre Rollen selbst entwickelt und mögliche Handlungsabläufe einstudiert. Dennoch spielt bei jedem Auftritt die Improvisation die Hauptrolle, gerade auch, wenn die Schauspieler zu zweit oder dritt eine Szene spielen.

Unterstützt wird Ronzani von Vinzent Gisi (26). Auch er war an der Accademia Teatro Dimitri, zuvor machte er von klein auf bei der Zirkusschule Basel mit und ging mit dem Zirkus Chnopf auf Tournee. «Für dieses Projekt sind Masken, die das ganze Gesicht bedecken, ideal.» Denn damit werden die Darsteller optisch auffällig und ziehen das Interesse der Bevölkerung auf sich. Gleichzeitig bieten die Masken einen gewissen Schutz und Anonymität, die Sozialhilfeempfänger müssen sich nicht exponieren. Ohnehin ist immer eine Person von der Projektleitung dabei, die allfällige Fragen beantwortet oder unangenehme Situationen klärt. Die vier Schauspieler selbst bleiben während der ganzen Aktion stumm.

Reden über Littering kann auch den Konsum an sich zur Diskussion stellen.

Vinzent Gisi

Litter Lemons mit Masken

Die Initiative zum Theater kam vom Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt und nimmt Bezug auf ähnliche Theaterinterventionen in Berlin, Paris und Barcelona. «Dort geht es darum, Sekundärlärm zu reduzieren, also beispielsweise die Störung durch diskutierende Partygänger vor einem Club», erzählt Ronzani. Sie und ihr Kollege hätten sich für Littering entschieden, weil sich das handfeste Thema für ein Maskenspiel besser eignet. Doch Ronzani ist auch bewusst, dass Littering nicht das grösste Umweltproblem der Schweiz ist: «Beim Wegwerfen im öffentlichen Raum geht es ums Stadtbild und um Lebensqualität, um gefährliche Scherben oder um Plastik, das Tiere verschlucken. Doch Littering kann auch Anlass sein, den eigenen Konsum generell zu hinterfragen.» Auch Gisi will mit «Litter Lemons» den Leuten bewusst machen, dass sie Verantwortung für ihren Konsum tragen, wie lange man beispielsweise Kleider trägt oder wie viel Essen man wegwirft.

Die Reaktionen auf die Szenen, die auf dem Clara- und Barfüsserplatz, am Rheinbord oder in der Greifengasse gespielt werden, sind vielfältig und reichen von «Was soll denn das?» bis «affengeil». Unter chillenden Jugendlichen löse man immer wieder eine Diskussion über das achtlose Wegwerfen von Abfall aus, sagt Ronzani. Auch an dem jungen Projektteam habe die Arbeit mit den vier Laien Spuren hinterlassen: «Ich bin beeindruckt davon, wie sozialkompetent und rücksichtsvoll diese Personen sind.» Und Gisi geht selbst punkto Littering aufmerksamer durch die Stadt: «Ich sehe, wo überall Abfall liegt – aber auch, wie viele Menschen ihre Resten korrekt entsorgen.»

 

Publiziert im Juni 2019

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