- Text: Regula Wenger
- Fotos und Videos: Regula Wenger / z.V.g.
Kurzprofil
Informationen über Igel:
www.pro-igel.ch
Kranke und verletzte Igel:
Stiftung Tierschutz beider Basel TBB
Birsfelderstrasse 45
4020 Basel
www.tbb.ch
«Nur nicht zu viel pützerlen!», sagt Silke Kretzschmar. Es ist ein einfacher, allerdings entscheidender Tipp, den die Igelfreundin den Gärtnerinnen und Gärtnern immer wieder ans Herz legt. «Ich muss die Leute fast dazu zwingen, dass sie nicht zu ordentlich sind und das Totholz im Herbst stehen lassen.» Vielen ist gar nicht klar, was es bedeutet, wenn sie vor allem im Herbst herumliegende Äste und Holzstückchen fein säuberlich einsammeln und mit dem Laub und Rasenschnitt der Grünabfuhr mitgeben. Der Garten mit den zurückgeschnittenen Sträuchern ist dann zwar aufgeräumt. Doch Kleintiere wie Igel finden darin kaum Nahrung und keinen Unterschlupf für ihren Winterschlaf.
Sechs oder doch sieben? Eines Tages bevölkerte eine Igelfamilie das Häuschen neben Chtanovas Parterrewohnung.
Leicht hat es das Heckenschwein hierzulande nicht: Weil die ländlichen Gebiete durch die immer intensivere Landwirtschaft monotoner geworden sind, ist der Igel in den städtischen Siedlungsraum ausgewichen. Doch auch hier gerät er unter Druck: Der Igelbestand schrumpft massiv. Gemäss einer neusten Studie ist die Population in der Stadt Zürich in den vergangenen 25 Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Eigentlich könnten städtische Privatgärten ein Netz von wertvollen kleinen Lebensräumen bilden. Dafür kann man einiges tun, ist Silke Kretzschmar überzeugt. Die Basler Gartenbautechnikerin rät ihrer Kundschaft unter anderem, statt Steingärten anzulegen, vermehrt einheimische Sträucher anzupflanzen. So schwärmt sie etwa von der Salweide: «Das ist eine wertvolle Pflanze, die viele Bienen, Schmetterlinge und Vögel anzieht.» Artenvielfalt ist wichtig, auch da, wo das menschliche Auge sie gar nicht sieht: Im Totholz und im Laub wuseln unzählige Lebewesen. Auf all diese Spinnen, Würmer, Käfer, Asseln, Hundert- und Tausendfüssler hat der Igel – neben Beeren, Mäusen und Schnecken – mächtig Appetit. Stellt man dem Tier noch eine standfeste Wasserschale in den Garten, kann es dort auch seinen Durst stillen.
Igel wandern gerne herum. «Mauern stören und Zäune sollten mindestens 15 Zentimeter Abstand vom Boden haben, damit die Tiere unten durchschlüpfen können», empfiehlt Kretzschmar. Auf keinen Fall soll man Pestizide und Laubbläser einsetzen. Das zusammengerechte Laub oder ein Teil davon kommt idealerweise auf einen Haufen, in dem der Igel Schutz findet. «Oft stehen leider der Schönheits- und Ordnungssinn dem Naturgarten im Weg. Ich zeige meiner Kundschaft jedoch, dass ein solcher Haufen auch ästhetisch ist.» Er kann in einer Ecke des Gartens platziert werden und eventuell auch als Sichtschutz dienen. Verwendet wird alles aus dem Garten: «Zerkleinert man das Material mit einer Astschere, lässt sich der Haufen besser formen. Man schichtet Äste und Laub in verschiedenen Lagen auf. Je höher desto besser, denn Organisches setzt sich mit der Zeit.» Trockenes Farnlaub, sagt die Naturfreundin, halte zudem die Wärme zusammen. Den Unterschlupf brauchen die Igel nicht nur für den Winterschlaf, sondern auch für die Jungenaufzucht und Ruhepausen.
Nicht nur auf dem Land, auch in der Stadt macht sich der Igel zunehmend rar. Bereitgestellte Behausungen helfen der Population.
Wer die Igel zu sich einladen will, kann auch ein selbst gefertigtes oder gekauftes Igelhaus aufstellen. Das hat Natalia Chtanova getan, deren kleiner Garten an Kretzschmars Grünstreifen neben der Cécile-Ines-Loos-Anlage in Basel reicht. Zwei Jahre lang stand das Igelhaus leer, dann hörte Chtanova im Dunkeln plötzlich komische Grunzlaute und erschrak. «Als ich das Dach des Häuschens anhob, entdeckte ich sechs oder sieben Junge mit ihrer Mutter», erzählt die tierliebende Kommunikationsfachfrau. «Die Igeli waren sehr herzig. Aber sie haben auch ein wenig gestunken», sagt sie lachend. Die kleinen Tiere torkelten auch tagsüber im Garten umher; kein Wunder wollten nicht nur Chtanovas Kinder, sondern auch deren Gspänli einen Blick auf die stachligen Babys werfen. Zur Sicherheit erkundigte sie sich beim Basler Tierheim, wie sie sich verhalten solle. «Dort hiess es, dass wir die Wildtiere möglichst in Ruhe lassen sollen.»
Ein Herz für Tiere haben übrigens nicht nur Natalia Chtanova und Silke Kretzschmar. Als gleich mehrere der Igelbabys im letzten Sommer auf einer Strasse im Breite-Quartier unterwegs waren, eilte Kretzschmars Ehemann noch im Pyjama und mit Lederhandschuhen hinaus, um die kleinen Kugeln vor den herannahenden Autos zu retten. Klar ist jedoch: Nach Hause nehmen und dort pflegen darf man die Wildtiere nicht. Nur Igel, die ernsthaft verletzt und krank sind, oder noch blinde Igeljungen, die über mehrere Stunden ohne Muttertier beobachtet werden, brauchen menschliche Hilfe. Am besten notiert man Ort und Zeit des Fundes und erkundigt sich beim Tierarzt oder beim Tierschutz beider Basel, wie man weiter vorgehen soll. Und wenn ein Igel zum Winterschlaf in ein Versteck eingezogen ist, bitte keinesfalls vor Anfang Mai stören …
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