- Interview: Lioba Schneemann
- Fotos: Rosmarie Wydler-Wälti, Mirjam Künzli, Flurin Bertschinger
Kurzprofil
KlimaSeniorinnen
c/o Rosmarie Wydler-Wälti
Oberalpstrasse 49
4054 Basel
Seniorinnen als Klimaschützerinnen? Seniorinnen mit Transparenten vor dem World Economic Forum (WEF)? Was zunächst nicht zusammenpassen mag, tut es auf den zweiten Blick doch: Die Klimaerwärmung, die zu heisseren Sommern mit Temperaturen über 30 Grad führt, lässt vor allem ältere Frauen und Männer leiden. Ältere Menschen können den Wärmehaushalt nicht mehr so gut regulieren. Die Statistik des Hitzesommers 2003 zeigt es: Über 70’000 zusätzliche Todesfälle in Europa waren in den Sommermonaten zu beklagen, ältere Frauen waren am häufigsten betroffen.
„Wir Seniorinnen haben gegen den Bund geklagt, weil wir von der Erwärmung die am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe sind“, erklärt Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen. „Wir berufen uns auf das in der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK garantierte Vorsorgeprinzip und das Recht auf Leben.“ Nur eine als erwiesenermassen am meisten betroffene Bevölkerungsgruppe habe die Chance, so Rosmarie Wydler, den Bund erfolgreich zu verklagen. Einige Leute würden das Anliegen der KlimaSeniorinnen manchmal als „egoistische“ Mission kritisieren, jedoch gehe es vor allem um die Enkelgeneration, die die Klimakatastrophe am stärksten zu spüren bekomme. „Wenn wir gewinnen, nützt das allen“, sagt sie. „Gerade weil wir hier im Norden durch unser Verhalten hauptverantwortlich sind für die Überlebenschancen in besonders betroffenen, ärmeren Ländern, sehe ich unsere Aktivitäten auch als Teil einer weltweiten Friedens- und Solidaritätsbewegung.“
Zu den KlimaSeniorinnen gehören unter anderem alt Nationalrätinnen wie Christiane Brunner, Pia Hollenstein und Anne Mahrer. Juristischen Rat holen sie sich bei Anwältinnen und Anwälten von in Umweltfragen erfahrenen Zürcher Anwaltbüros. Die KlimaSeniorinnen werden punkto Sekretariatsarbeit und wissenschaftlichem Know-how von Greenpeace unterstützt. „Finanziell sind wir inzwischen selbstständig, obwohl kein Mitgliederbeitrag erhoben wird. Die Spendeneinnahmen sind glücklicherweise mit 1200 Mitgliedern grosszügig“, freut sich die Co-Präsidentin.
Der Grund der Anklage: Das vom Bund im CO2-Gesetz verbriefte Reduktionsziel von 20% bis 2020, das die Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius begrenzen soll, ist gemäss wissenschaftlicher Analysen unzureichend. Eine Reduktion der Emissionen um mindestens 25 bis 40% wäre nötig, will man das Ziel tatsächlich erreichen. Der Bund verstösst also gegen die Verfassung. „Unsere Regierung tut einfach nicht genug und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung. Wir fordern, dass der Staat seine Schutzpflichten gegenüber uns – damit sind alle Menschen gemeint – wahrnimmt. Eine unabhängige gerichtliche Prüfung der Klimapolitik ist ebenso notwendig.“
Je mehr Widerstand, desto motivierter
Rosmarie Wydler-Wältis Elan ist ansteckend und authentisch. Eine gute Portion Mut und Durchhaltevermögen braucht es definitiv, um sich mitunter gegen manch unfairen oder uninformierten „Gegner“ zu behaupten. „Manchmal habe ich den Eindruck, als ältere Frau in dieser Sache nicht ganz ernst genommen zu werden. Vor allem scheint mir beziehungsweise habe ich konkret erfahren müssen, dass ältere Männer mit uns starken Frauen oft ihre Probleme haben“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Zum Beispiel, wenn sie bei Podiumsdiskussionen, Vorträgen oder in der Sendung Arena mitdiskutiert. Auch gleichaltrige Frauen und Männer begegneten der Idee mitunter skeptisch. „Und da muss man eben lernen, dies hinzunehmen. Ich will ja auch nicht missionieren“, sagt sie.
Die KlimaSeniorinnen lassen sich weder einschüchtern noch entmutigen, trotz Niederlagen: Die Klage der KlimaSeniorinnen wurde im Jahr 2016 beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK eingereicht – und dann abgelehnt. Auch die Beschwerde, die sie im Mai 2017 beim Bundesverwaltungsgericht einreichten, ist im Dezember 2018 abgelehnt worden. Jedoch ziehen sie die Klage ans Bundesgericht weiter, „wenn es sein muss bis nach Strassburg“. Und dann fügt sie wie nebenbei noch hinzu: „Je kniffliger es ist, desto motivierender ist es für mich, mich einzusetzen“. Man darf gespannt sein auf weitere Aktionen der starken Seniorinnen.
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